Großes Interesse am Flüchtlings-Themenabend in Lehmen

Vollbesetztes Pfarrheim bei der Informationsveranstaltung von Lehmensart
Unter der Überschrift „Mein Nachbar kam mit dem Boot über’s Meer“ hatte die Kulturinitiative Lehmensart gemeinsam mit der Fachkonferenz Asyl-Migration-Integration des Dekanates Maifeld-Untermosel am 14.März ins Lehmener Pfarrheim eingeladen.

2015-03-14 Mein Nachbar kam mit dem Boot über's Meer


Es war ein informativer facettenreicher Abend, der verschiedene Aspekte zur Thematik verdeutlichte. Werner Huffer-Kilian, Pastoralreferent und Vertreter der Asyl-Fachkonferenz des Dekanates erläuterte die Rahmenbedingungen für Flüchtlinge im Asylverfahren, deren Weg in unsere direkte Nachbarschaft und nannte Zahlen: 800 neue Flüchtlinge erwartet der Landkreis MYK für das Jahr 2015, davon werden ca. 80 Personen in der Verbandsgemeinde Rhein-Mosel untergebracht werden. Froh und dankbar ist er für die Flüchtlingsbegleitung, die im Dekanat durch ehrenamtliches Engagement in einzelnen Gemeinden geleistet wird. Zurzeit werden 132 Personen, die einzeln oder meist in Familien leben, von 30 Menschen regelmäßig unterstützt.
Dass dieses Engagement wichtig und sinnvoll ist, machte der Bericht von Christa Schmidt und Wilfried Weinand vom Ökumenischen Arbeitskreis „Hilfe für Flüchtlinge“ deutlich. Sie begleiten schon seit vielen Jahren Flüchtlinge in den Gemeinden Rhens, Brey, Spay und Waldesch und sind dabei eng vernetzt mit den Migrationsdiensten der Sozialverbände wie Caritas oder AWO. Einmal im Monat organisieren sie abwechselnd in den Pfarrräumen dieser Gemeinden das „Cafe International“, ein Begegnungstreffen, das zum Miteinander einlädt. Der Arbeitskreis kann auf eine Vielzahl von Erfahrungen zurückgreifen. Ihre Schilderungen machten deutlich, dass neben der Begleitung bei Behördengängen, Arztbesuchen, KiTa- und Schulanmeldungen, die aufgrund der Sprachschwierigkeiten besonders hilfreich sind, auch kleine Gesten im Alltag, ein freundliches Lächeln, ein kurzer Gruß, wichtige Bausteine einer gelingenden Integration dieser Menschen darstellen. Nachdenklich stimmte die Besucher ihre beispielhafte Erzählung über die jetzige Lebenssituation eines iranischen Flüchtlings, der als junger Mann in Deutschland erfolgreich studierte und wertgeschätzt wurde, nun jedoch nach vielen Jahren als Flüchtling zurückkehren musste und von den Leistungen des Job-Centers abhängig ist, da seine Ausbildung jetzt nicht entsprechend anerkannt wird.
Welche bürokratischen Hindernisse und rechtlichen Regelungen die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen verhindern oder erschweren, machten auch die persönlichen Schilderungen einer jungen Tschetschenin deutlich. Als 11-Jährige kam sie mit ihrer Familie nach Deutsch-land und lebte hier bis vor Kurzem im Flüchtlingsstatus der „Duldung“. Im vergangenen Jahr hat sie das Gymnasium mit dem Abitur abgeschlossen. Sie berichtete von den alltäglichen Schwierigkeiten, die das Leben in der Duldung mit sich bringt: ein persönlicher Aktions-radius, der sich auf 30 km im Umkreis des Wohnortes beschränkt; die Teilnahme an Klassen-fahrten oder Ausflügen nun nach vorherigem Antrag und der Genehmigung durch die Ausländerbehörde, die Unsicherheit nur für drei Monate oder im kürzesten Fall für nur eine Woche in Deutschland geduldet zu sein. So kann sich sicherlich kein Gefühl von Sicherheit nach einer Flucht entwickeln. Ihre Erzählungen machten auch deutlich, wie widersprüchlich die Erwartungen und gesetzlichen Regelungen sind, die an die Flüchtlinge gestellt werden: eine Arbeitserlaubnis für den Vater war nur mit einem gültigen Pass zu bekommen, aber den Pass konnte er nur dann erhalten, wenn er arbeitet und seine Familie von staatlichen Leistungen unabhängig finanzieren kann.
Dass die Flüchtlinge für sich selbst Verantwortung übernehmen und vor allem finanziell unabhängig sein möchten, wurde auch im Gespräch mit zwei syrischen Flüchtlingen deutlich, die seit gut 2 Jahren mit ihren Familien in Lehmen wohnen.
Lehmensart ist es gelungen, den Blick auf die Lebenswelt der Menschen zu richten, die heute hier in Deutschland Schutz vor Verfolgung, Terror und Gewalt suchen. Durch die persönliche Fluchtgeschichte eines deutschen Vertriebenen, der nach dem 2. Weltkrieg irgendwann auch in Lehmen gestrandet war, wurde den anwesenden Gästen zusätzlich in Erinnerung gerufen, dass es viele Parallelen zur heutigen Situation der Flüchtlinge gibt: Liebgewonnenes zurücklassen, in Situationen „hineingeworfen“ werden und selbst wenig Einfluss auf die Entwicklung oder Ereignisse nehmen können, sich in der neuen „Heimat“ anpassen müssen und mutig den Herausforderungen stellen, den eigenen Stolz bewahren und neue Freundschaften schließen…
Stimmungsvoll wurde der Abend abgerundet durch die musikalischen Beiträge von Nicole Mercier aus Kalt. Mit eigenen Liedern, und auf der Gitarre begleitet von ihrem Kollegen Thomas Schilling, gelang es, ganz viel von dem Lebensgefühl der Flüchtlinge an die Zuhörer weiterzugeben und auch den Gedanken der Solidarität untereinander.
Elisabeth Hein von der Kulturinitiative Lehmensart bedankte sich zum Schluss bei allen Aktiven, die zum Gelingen des Abends beigetragen hatten und hob dabei besonders die syrischen Flüchtlingsfamilien hervor, die durch traditionellen Tee und selbstgebackene Süßspeisen, die anwesenden Gäste verwöhnten.

Wer weitere Informationen zur ehrenamtlichen Begleitungen von Flüchtlingen erhalten oder selbst aktiv werden möchte, kann sich gerne mit Herrn Werner Huffer-Kilian in Verbindung setzen: Dekanatsbüro Maifeld-Untermosel, Obertorstr. 8, 56294 Münstermaifeld, Tel: 02605-9627817, mobil: 0170-7938420, mail: huffer-kilian@t-online.de

Rede von Otto Hellinger

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